Fachanwalt für Versicherungsrecht im Saarland
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Neue Studie zum Regulierungsverhalten BU-Versicherer

Berufsunfähigkeitsversicherung: Die Absicherung großer Lebensrisiken benötigt Leitplanken.Unklare und unverbindliche Vertragswerke sorgen für extreme Unterschiede bei den Leistungsentscheidungen der Versicherer. Die Qualitäts- und Transparenzinitiative der PremiumCircle Deutschland GmbH deckt eklatante Unterschiede auf.

 

 Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung soll im Ernstfall die Sicherung des Lebensunterhaltes gewährleisten, so die Erwartung der Versicherten. Wie lange sich die Bearbeitung im Leistungsfalls hinzieht, ob gezahlt wird und wie lange, das gleicht für Versicherte und Vermittler einem Würfelspiel.

Das tatsächliche Leistungsverhalten der Versicherer unterscheidet sich aufgrund der Fülle unbestimmter Begriffe und unverbindlicher Formulierungen in den Vertragswerken so stark, dass Claus-Dieter Gorr, Geschäftsführer der PremiumCircle Deutschland GmbH, politische Leitplanken fordert: „Schutzbedürftige Verbraucher und Vermittler haben derzeit kaum die Möglichkeit, gute von schlechten Leistungen zu unterscheiden“ so Gorr. Er fürchtet, dass ohne verbindliche Leitplanken in den Vertragsbedingungen keine Chance besteht, die europaweit unterdurchschnittliche Absicherungsquote von 25 % weiter zu steigern.

Die PremiumCircle Deutschland GmbH hat im Rahmen der im Herbst 2016 initiierten Qualitäts- und Transparenzinitiative (QTI) 62 BU-Versicherer zum tatsächlichen unternehmensindividuellen Leistungsverhalten befragt. Hierzu wurde ein Erhebungsbogen mit jeweils 75 Fragen für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.10.2016 versandt. Die ausgewerteten Daten wurden allen  teilnehmenden Unternehmen jeweils zur Qualitätssicherung rückgespiegelt. Kein Unternehmen hat alle Fragen für alle Jahre beantwortet. Die zum finalen Auswertungsstichtag am 27.03.2017 herangezogene höchste Antwortdichte bezog sich mit insgesamt jeweils 16 auswertbaren Antworten auf das Jahr 2014.

Insgesamt haben sich 15 Versicherer mit einem Gesamtmarktanteil von 23,2 % an der QTI beteiligt, 5 hatten keine relevanten Daten, 32 haben aus internen Gründen abgelehnt, 10 haben trotz Erinnerung nicht reagiert.

Transparenz zum tatsächlichen Leistungsverhalten geleistet haben:

Alte Leipziger, AXA, Barmenia, Debeka, die Bayerische, HDI, LV 1871, Neue Leben, PB Versicherung, Signal Iduna, Swiss Life, Targo, Volkswohl Bund, Württembergische, Zurich.

Die wichtigsten Ergebnisse im Auswertungsjahr 2014 zeigen eine eklatante Varianz im Leistungsverhalten.

  • Bis zur Hälfte der Anträge werden abgelehnt. Von 16.150 abschließend bearbeiteten Leistungsfällen wurden insgesamt 72,2 % (11.656 Fälle) anerkannt. 27,8 % (4.494 Fälle) wurden abgelehnt. Die unternehmensindividuelle Quote variiert zwischen 55,8 % und 13,9 % der abschließend bearbeiteten Leistungsfälle.
  • Von insgesamt 4.494 abgelehnten Leistungsfällen wurde in 8,7 % der Fälle im Jahr 2014 Klage durch den Versicherungsnehmer/Versicherte Person erhoben.
  • Erfolgsquote der Kläger zwischen null und 83%. Von insgesamt 169 in 2014 getroffenen erstinstanzlichen Urteilen (LG) gingen 31,4 % zugunsten des klagenden Versicherungsnehmers/Versicherte Person, 68,6 % zugunsten des Versicherers aus. Die unternehmensindividuelle Quote der durch Versicherer verlorenen Prozesse variiert zwischen 0 % und 83,3 %.
  • 63,4 % aller abschließend bearbeiteten Leistungsfälle wurden unbefristet anerkannt. Die unternehmensindividuellen Anerkennungsquoten variieren dabei zwischen 36,2 % und 83,3 %. Die mit der Anzahl der unbefristeten Leistungsanerkenntnisse gewichtete durchschnittliche monatliche BU-Rente beträgt dabei 795 €. Die unternehmensindividuellen durchschnittlichen BU-Renten variieren zwischen 590 € und 1.195 €.
  • Die mit der Anzahl der abschließend bearbeiteten Leistungsfälle gewichtete durchschnittliche Bearbeitungsdauer bis zum Abschluss eines Leistungsfalls beträgt 95 Tage. Die unternehmensindividuelle durchschnittliche Varianz liegt dabei zwischen 30 und 219 Tagen.
  • Das mit der Anzahl der abschließend bearbeiteten Leistungsfälle gewichtete durchschnittliche Alter bei Meldung eines Leistungsfalles beträgt 45,7 Jahre. Die unternehmensindividuelle Varianz liegt dabei zwischen durchschnittlich 40,4 und 48,1 Jahren.
  • 2014 wurde von den teilnehmenden Versicherern in 6.060 Fällen die BU-Rentenzahlung ehemals unbefristeter Leistungsanerkenntnisse eingestellt.
  • Davon wurden 18,9 % aufgrund einer Nachprüfung Die unternehmensindividuelle Varianz liegt zwischen 39,9 % und 4,3 %.
  • Die mit der Anzahl im Jahr 2014 eingestellter unbefristeter Leistungsanerkenntnisse gewichtete vorangegangene durchschnittliche Leistungsdauer bis zur Einstellung der unbefristeten Leistung beträgt 6,5 Jahre. Die unternehmensindividuelle Leistungsdauer variiert dabei zwischen durchschnittlich 3,5 und 9,0 Jahren.
  • Die mit der Anzahl im Jahr 2014 eingestellter unbefristeter Leistungsanerkenntnisse gewichtete durchschnittliche Höhe der vorangegangenen geleisteten monatlichen Berufsunfähigkeitsrenten betrug 672 €. Die unternehmensindividuelle Höhe lag monatlich zwischen durchschnittlich 468 € u. 1.117 €.

Kein Versicherer schnitt im Unternehmensvergleich in allen untersuchten Teilbereichen überdurchschnittlich ab. Es konnte allerdings festgestellt werden, dass einzelne Unternehmen in relevanten Teilbereichen konsistent Ergebnisse über dem ermittelten Durchschnitt der teilnehmenden Unternehmen erzielt haben und sich somit deutlich positiv von ihrem Wettbewerb abheben.

Fazit: Das durchschnittliche junge Alter bei Meldung eines Leistungsfalles von 45,7 Jahren untermauert die Notwendigkeit der Existenzabsicherung. Die Fülle unbestimmter Begriffe und unverbindlicher Formulierungen im VVG, den GDV-Musterbedingungen und den unternehmensindividuellen Vertragsbedingungen ermöglichen jedoch die vorliegenden eklatanten Unterschiede im Leistungsverhalten. Die oftmals nicht zur Erhaltung des Lebensstandards ausreichende durchschnittliche BU-Rente unbefristeter Leistungen in Höhe von 795 € weisen zudem auf eine deutliche Unterversorgung hin.

Im Rahmen einer Querprüfung wurde festgestellt, dass 12 der 15 Teilnehmer bei vergangenen Produktratings führender Agenturen dennoch deren jeweilige Höchstbewertung erhalten haben.

Für schutzbedürftige Verbraucher und Versicherungsvermittler besteht daher bei der Identifikation leistungsstarker Berufsunfähigkeitsversicherungen sowohl bei Anbieter- und Tarifauswahl, als auch verbindlicher Leistungsprozesse eine faktische Orientierungslosigkeit.

Damit Versicherte und Vermittler wissen, worauf sie sich mit wem einlassen, gilt es hier seitens der Versicherer im ersten Schritt Transparenz zum aktuellen Leistungsverhalten herbeizuführen. Die 15 Versicherer, die sich bereitwillig an der Studie beteiligt haben, zeigen, dass zumindest ein Teil der Versicherungsbranche dazu bereit ist.

Um die Berufsunfähigkeitsversicherung für Schutzbedürftige attraktiver zu machen, muss mittelfristig das gesamte Produktdesign erheblich geschärft und inhaltlich konkretisiert werden.

(Quelle: premiumcircle.de)

Der ungleiche Kampf: Wenn die BU-Versicherung nicht zahlt

 

Die story: Der ungleiche Kampf: Wenn die Versicherung nicht zahlt | ARD Mediathek

 

Aktuelle Urteile:

Berufsunfähigkeit eines Onlinehändlers

 

(OLG München, 13.10.2022 - 25 U 2340/21):

 

Ein Onlinehändler ist berufsunfähig, wenn er aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, den kompletten Wareneingang anzunehmen, auszupacken und zu sortieren. Kein sinnvolles Arbeitsgebnis, wenn Annahme von Waren nicht mehr möglich ist. Dabei ist unerheblich, dass die Tätigkeit rein zeitlich bei weitem nicht die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch genommen hat (BGH, 19.7.2017, -IV ZR 535/15).

 

 

 

Rechtsanwalt Peter Dörrenbächer

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